Expertenstatement zum Endotest

Experten der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Endoskopie der SGGG gynécologie suisse raten zur Zeit von der Durchführung des Endotests ausserhalb von klinischen Studien ab.

Dr. M. Eberhard, Dr. P.M. Fehr, PD Dr. S. Imboden, Prof Dr. M. D. Mueller, Dr. N. Samartzis

 

Endotest®

Der Endotest® wurde von dem Start-up Unternehmen Ziwig™ in Frankreich konzipiert und wird in der Schweiz von Labor Team W™ und in Deutschland von Eluthia™ vertrieben.

Der Test wird in der Schweiz unter der Form einer flüssigen Biopsie abgegolten und so von der Grundversicherung übernommen. Er kostet zum aktuellen Zeitpunkt 781.20 CHF (November 2022) und kann von Ärzten mit einem speziellen Speichelset entnommen werden. Eine genetische Beratung wird nicht vorausgesetzt. Die Ausführungsdauer im Labor wird mit 20 Tagen angegeben.

 

Hintergrund

Micro RNA (miRNA) sind meist 22-24 Nukleotide kurze, nicht-kodierende Ribonukleinsäuren (RNA). Sie sind in der Lage die Proteinsynthese zu regulieren, indem sie messenger RNA (mRNA) über eine kovalente Bindung blockieren oder deren Abbau beschleunigen können. Dadurch gelten sie als hoch-spezifische Genregulatoren und sind in ihrer Struktur stark konserviert (1, 2). Sie sind nicht nur im Cytoplasma sondern auch in Körperflüssigkeiten zu finden und können so auch eine Funktion als parakrine und endokrine Mediatoren übernehmen (3).

Beim Endotest® handelt es sich um einen Speicheltest, welcher auf einer Analyse von miRNA basiert. In der Studie von Bendifallah et al., wurde mit Hilfe von künstlicher Intelligenz ein Muster von 109 miRNAs erfasst, welches zur Diagnostik von Endometriosefälle verwendet wurde (4). Das Herbeiziehen von künstlicher Intelligenz und die Berücksichtigung von den über 2600 bisher rapportierten miRNAs ermöglichte es, gemäss den Autoren, sich gegenüber den bisherigen Versuchen eines miRNA-basierten nicht-invasiven Endometriosetests durchzusetzen (5, 6).

 

Studiendesign

Eingeschlossen wurden in der Studie 200 Probandinnen zwischen 18 bis 43 Jahren mit chronischen Unterbauchschmerzen, bzw. Dysmenorrhoe (4). Davon hatten 153 Frauen Endometriose. Die Diagnose wurde in 45.8% durch ein MRI und in 54.2% durch eine Laparoskopie gestellt. Bei den restlichen 47 Frauen wurde eine Endometriose mittels Laparoskopie ausgeschlossen und als Kontrollgruppe eingesetzt. 51% der Frauen in der Kontrollgruppe hatten einen unauffälligen intraoperativen Situs. Die übrigen Patientinnen hatten in 23% Teratome, 11% Zystadenome, 2% Leiomyome und in 13% andere gynäkologische Veränderungen.

Im Endometriosekollektiv hatten 52% ein ASRM I-II und 48% ein ASRM III-IV. Dies widerspiegelt sich auch in dem relativ grossen Anteil mit weitläufigen Endometriose-assoziierten Beschwerden (56% mit ischialgiformen Schmerzen, 21% mit zyklus-assoziierten rechtsseitigen Schulterschmerzen, 24% mit zyklus-assoziierter Hämatochezie, 17% mit zyklus-assoziierter Hämaturie. Eine gewisse Unklarheit besteht darin, wie die ASRM Einteilung bei den 45.8% Fällen erfolgte, die lediglich mittels MRI diagnostiziert wurden

 

Test-Wertigkeit

In der aktuellen Publikation konnte ein miRNA Signatur evaluiert werden, welche mit 96.7% Sensitivität und 100% Spezifität die Probanden in die korrekte Gruppe einteilen konnte (4).  Es wurde eine interne Validierung an 10 unterschiedlichen Datasets rapportiert, eine externe Validierung aktuell hingegen noch nicht. Eine externe Validierung an einem unabhängigen Patientenkollektiv kann nachweisen, dass das Testresultat unabhängig von den eingeschlossenen 200 Frauen ist, aus welcher die miRNA-Signatur hervorgegangen ist. Ein oft genannter Kritikpunkt ist die aktuell kleine Anzahl von 47 Frauen in der Kontrollgruppe, was einen direkten Einfluss auf die Sensitivität und Spezifität ausüben könnte.

 

Offene Fragen

Aktuell bestehen noch viele ungeklärte Fragen. Diese sind zum Beispiel: Was bedeutet der Test für die Adenomyose? Was bedeutet ein negatives Resultat, wenn sich im Untersuch klare Hinweise auf eine Endometriose zeigen? Was bedeutet ein positives Resultat, wenn sich asymptomatische Patientinnen testen lassen? Ist die Sensitivität gleich für milde wie für fortgeschrittene Endometrioseformen? Im aktuellen Testkollektiv wurden relativ viele schwere Endometriosefälle eingeschlossen (48% rASRM III-IV). Bei den frühen Formen, wäre aber ein solcher Test besonders interessant, da diese mittels Bildgebung schwieriger zu diagnostizieren sind.

Wie ist der Test zu werten, wenn eine Patientin mit bekannter Endometriose nach einer operativen Therapie ein Rezidiv der Beschwerden hat? Wertet der Test die Prädisposition oder das Vorhandensein der Endometriose? Was bedeutet ein positiver Test bei Frauen unter 18 Jahren, sowie über 43 Jahren? Hat eine Hormontherapie einen Effekt auf das Resultat? Kann der Therapieerfolg im Test widerspiegelt werden? Wird das Resultat unsere Entscheidung zur Operation-Indikation und -technik beeinflussen?

Eine genaue Anamnese und sorgfältige Untersuchung auf Endometriosezeichen werden nicht ersetzt werden können. Insbesondere weil der Test aktuell noch keine Aussage über den Endometriosephänotyp und -ausdehnung machen kann.

 

Ausblick

Gemäss den Autoren der Studie ist eine gross angelegte multizentrische prospektive Validierungsstudie mit 1000 Probandinnen in 10 französischen Kliniken gerade kürzlich abgeschlossen worden und die Resultate sind für das erste Drittel 2023 zu erwarten. Da der Test nun im klinischen Umlauf ist, werden bald auch erste externe Resultate von verschiedenen Seiten erwartet. Allenfalls wäre es möglich, dass eine Erweiterung der Kollektivgrösse, der künstlichen Intelligenz helfen könnte, den Algorhythmus weiter zu verfeinern.

 

Fazit

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass mit grosser Spannung die Entwicklung eines nicht-invasiven Endometriosetests erwartet wird. Ein Speicheltest, wie dies der Endotest® ist, wäre ein ideale Testform. Wir verfolgen mit grossem Interesse die weiteren Studienergebnisse des Endotest®. Unserer Meinung nach ist es ratsam, erst die externe Validierung mit einem grösseren Patienten-Kollektiv abzuwarten, um den Test als Diagnosemittel einsetzen zu können. Bis dahin sollte den Patientinnen erklärt werden, dass das Testergebnis noch keine Aussage zulässt und noch nicht die bisherigen klinischen und bildgeberischen Diagnosemittel, sowie die Laparoskopie ersetzen kann.

Patientinnen, die einen Test durchführen möchten, sollte zum jetzigen Zeitpunkt davon abgeraten werden, denn wir können die Testergebnisse zur Zeit noch nicht interpretieren und die Kosten beträchtlich sind. Wenn wir von einer Endometriose-Inzidenz von 10% ausgehen und bei allen betroffenen Frauen den Test durchführen würden, entstehen Kosten von über 300 Millionen Schweizer Franken. Bei einem Verdacht auf Endometriose, ohne Korrelat in der Bildgebung, kann, nach entsprechender vorgängiger Information über die Limitationen allenfalls ein Test in Erwägung gezogen werden.

 

Referenzen

1.            Bartel DP. MicroRNAs: genomics, biogenesis, mechanism, and function. Cell. 2004;116(2):281-97.

2.            Bartel DP. MicroRNAs: target recognition and regulatory functions. Cell. 2009;136(2):215-33.

3.            Mori MA, Ludwig RG, Garcia-Martin R, Brandão BB, Kahn CR. Extracellular miRNAs: From Biomarkers to Mediators of Physiology and Disease. Cell Metab. 2019;30(4):656-73.

4.            Bendifallah S, Suisse S, Puchar A, Delbos L, Poilblanc M, Descamps P, et al. Salivary MicroRNA Signature for Diagnosis of Endometriosis. J Clin Med. 2022;11(3).

5.            Moustafa S, Burn M, Mamillapalli R, Nematian S, Flores V, Taylor HS. Accurate diagnosis of endometriosis using serum microRNAs. Am J Obstet Gynecol. 2020;223(4):557.e1-.e11.

6.            Monnaka VU, Hernandes C, Heller D, Podgaec S. Overview of miRNAs for the non-invasive diagnosis of endometriosis: evidence, challenges and strategies. A systematic review. Einstein (Sao Paulo). 2021;19:eRW5704.